Bevor wir mit der Erläuterung des Materials beginnen, finden Sie hier einige Hinweise zu einzelnen Kürzeln, die in Tauwerksbeschreibungen immer wieder vorkommen und häufig zu folgenreichen Verwechslungen führen.
MBL (Max Break Load)
Die MBL beschreibt die maximale Kraft, die auf das Tau wirken kann, bevor es reißt. Diese wird in Deka-, Kilonewton oder Kilogramm angegeben. Hier handelt es sich um eine Minimalangabe, die je nach Hersteller variieren kann, da jeweils noch eine Sicherheit einberechnet wird.
MWL (Max Working Load)
Die sogenannte Arbeitsbelastung ist eine vom Hersteller ausgesprochene Empfehlung, die der maximalen Belastung entspricht, die beim Gebrauch des Tauwerks berücksichtigt werden sollte. Gewöhnlich entspricht diese ca. 25% der MBL.
Reck (Dehnbarkeit)
Die Reckeigenschaften einer Leine hängen maßgeblich von Material und Konstruktion des Tauwerks ab. Möchte man zwei verschiedene Leinen in Bezug auf ihre Reckeigenschaften vergleichen, ist es unerlässlich, dass beide Leinen den gleichen Belastungsgrad erfahren haben. In allen Fällen gilt: je höher die Belastung, desto höher der Reck.
Kriechen (Retardation)
Wirkt auf eine Leine eine statische Last, kann es dazu kommen, dass sich die Leine irreversibel verlängert. Dies wird als Kriechen bezeichnet. Das ist mitunter einer der Gründe, warum viele Fasern für stehendes Gut nicht infrage kommen. Wie stark eine Leine „kriecht“, ist abhängig von Material, Temperatur, Dauer und Stärke der Belastung.
Die Hauptmaterialien in der Leinenherstellung sind:
- Polyester (PES)
- UHMWPE (ultrahochmolekulares Polyethylen), auch Dyneema oder Spectra genannt
- Polyamid (PA)
- Polypropylen (PP)
- LCP (Vectran)
- Aramid (Abkürzung für aromatische Polyamide), auch Technora oder Kevlar genannt,
- Zylon (PBO)
Je nach Einsatz und Anforderungen kombinieren Tauwerkhersteller gerne die Eigenschaften dieser Materialien, um so für jeden Einsatzzweck das richtige Tauwerk anbieten zu können. Der Preis von Tauwerk hängt von zwei Faktoren ab: Material und Verarbeitungsart. Die häufigsten Tauwerkskonstruktionen sind einfache Hohlgeflechte, Doppelgeflechte mit einem Polyesterkern oder Doppelgeflechte mit einer Hochleistungsfaser wie Dyneema.
Das einfache Hohlgeflecht ist uns vor allem von „reinem“ UHMWPE bekannt. Es lässt sich sehr einfach spleißen, besitzt eine hohe Bruchlast, ist UV-stabil und „reckt“ dazu kaum. Damit ist es die perfekte „Allroundfaser“. Allerdings gibt es zwei große Nachteile. Abhängig von der Qualität „kriecht“ die Faser; außerdem ist sie leider nicht ganz günstig.
Im Vergleich mit UHMWPE stellt Polyester einen preiswerten Kompromiss dar. Die Faser gilt genauso als „Allroundfaser“ und wird häufig für die Grundausstattung von Yachten verwendet. Häufig wird sie als Doppelgeflecht verwendet, das heißt, sowohl der Kern als auch der Mantel bestehen aus dieser Faser. Der Nachteil: Polyester ist zwar günstig, hat aber unter Last eine sehr hohe Dehnung. Das macht sich vor allem bei stärkerem Wind bemerkbar: dann ist beispielsweise das Vorliek des Segels auf einmal nicht mehr so stramm durchgesetzt wie ursprünglich. Als Alternative kann ein Tauwerk mit einem UHMWPE-Kern in Betracht gezogen werden.
Damit sind wir bei den Doppelflechten mit Hochleistungskern (wie UHMPWE/Dyneema) angekommen. Diese Leinen sind nicht nur für Regattasegler gedacht, sondern kommen inzwischen immer häufiger auch im Fahrtenbereich zum Einsatz. Einen großen Nachteil hat Dyneema allerdings: es ist nicht hitzebeständig. Es verliert bereits bei 90–100 Grad Celsius an Bruchlast. (Damit erübrigt sich nebenbei auch die Frage, ob man Leinen waschen sollte: Ja, aber NICHT bei hohen Temperaturen.)
Diesem Nachteil versuchen die verschiedenen Hersteller mit verschiedenen Mantelkonstruktionen entgegenzuwirken. Denn ein Kern braucht aus verschiedenen Gründen Schutz: um die lasttragenden Eigenschaften des Kerns so lange wie möglich aufrechtzuerhalten, um Bruch oder hohen Verschleiß zu vermeiden. Ein Mantel schützt den Kern vor UV-Strahlung, Scheuerstellen und vor allem vor Hitze, die bei hohen Lasten z.B. an der Winsch entstehen kann.
Mantelkonstruktionen fangen bei einem einfachen Polyestermantel an oder umfassen Technora-Polyester. Je nach Einsatz und Anforderung kombinieren Tauwerkhersteller gerne die unterschiedlichen Eigenschaften dieser Materialien,um für jeden Einsatzbereich das optimale Tauwerk bereitzustellen. Im Mantel wird zum Beispiel gerne ein Aramid verwendet, das zwar nicht UV-beständig ist, dafür aber extrem hitzebeständig. Genau das, was im Mantel gebraucht wird, da er nicht lasttragend ist, sondern nur einen äußeren Schutz darstellt. Diese Verfahren kann man immer weiter bis auf die Spitze treiben, bis man etwa bei einem reinen PBO-Mantel angekommen ist, wie er auf Grand-Prix-Yachten verwendet wird.
Auch für statische Lasten wie die Verstagung gibt es mittlerweile geeignete textile Lösungen, die mit hochentwickelten Fasern arbeiten. Gerade für Wasserstagen, Achterstagen oder Backstagen ist eine textile Lösung sehr sinnvoll. Textile Verstagung an Mast und Oberwanten gibt es vor allem im Hochleistungsbereich. Dort wird oft auf die Faser PBO bzw. CFK (Carbon) zurückgegriffen. Diese Fasern haben enorme Bruchlasten, sind leider aber genauso empfindlich. Vor allem PBO verliert unter UV-Einstrahlung extrem schnell an Bruchlast. Dadurch, dass die Fasern so empfindlich sind, müssen sie oft ersetzt und gewartet werden, was sehr kostspielig ist, da bereits das Material einen hohen Preis hat.
Unter Berücksichtigung dieser verschiedenen Eigenschaften gilt es abzuwägen, welches Tauwerk das jeweils richtige für Sie ist. Wir von der Segelmanufactur stehen Ihnen in diesem Prozess mit Fachkenntnis und jahrelanger Praxiserfahrung gerne beratend und unterstützend zur Seite. Kontaktieren Sie uns!